Sie sind der Gemeinde als Saxophonist bekannt. Warum auch noch Pfarrer werden?
Die Theologie ist nach der Musik meine zweite Berufung. Vor fünf Jahren habe ich mich entschieden, meine Musikerkarriere hinter mir zu lassen und Theologie zu studieren. Ich wollte den existentiellen Fragen über Gott und die Welt näher auf den Grund gehen. Als Pfarrer hat man das Privileg, Menschen an entscheidenden Punkten ihres Lebens und ein Stück ihres Weges begleiten zu dürfen. Mit einer starken Botschaft im Gepäck geht das leichter, denn sie trägt durchs Leben. Davon möchte ich erzählen.
Welche Bedeutung hat die Musik für meinen Glauben?
Musik hat eine ungeheure Kraft und schafft es, uns unmittelbar zu berühren. Da, wo Worte nicht verfangen, dringt Musik weiter. Am besten direkt ins Herz, denn nicht alles im Leben kann man allein mit dem Verstand erklären. Stets bleibt ein letztes Geheimnis. Musik ist für mich ein Zugang zu diesem Mysterium – zu Gott.
Welche Bedeutung hat die Musik für die Evangelische Kirche?
„Gäbe es in der protestantischen Kirche keine Orgel, sie wäre gar keine richtige Religion,“ spöttelte Heinrich Heine einst. Ich stimme ihm insofern zu, dass auch ich mir schwer einen Gottesdienst ohne Musik vorstellen kann. Sie gibt unseren Gefühlen Ausdruck, ja verstärkt die menschlichen Emotionen. Sei es das gemeinschaftliche Singen oder einfach das Zuhören und Genießen – Musik tut der Seele einfach gut. Deshalb sehe ich in ihr ein Geschenk Gottes. Und hier in Luther sind wir reich beschenkt.
Von der Carnegie Hall auf die Kanzel
Geboren und aufgewachsen bin ich in der sächsischen Oberlausitz, in Herrnhut, das bekannt für seine Sterne und die Losungen ist. Dieses ‚Gottes Wort für jeden Tag‘ hat mich geprägt und war oft Impuls bei entscheidenden Abzweigungen meines Lebens. Zunächst lebte ich meine erste Leidenschaft aus – die Musik. Mit 15 Jahren entschied ich mich, mein Hobby zum Beruf zu machen, ging dafür aufs Konservatorium mit Internat und anschließend zum Studium nach Köln und Amsterdam. Wieder zurück in Deutschland stieg ich als Altsaxophonist im Signum saxophone quartet ein. Mit diesem Ensemble ging ein lang gehegter Traum in Erfüllung: Konzerte spielen, andere Länder bereisen und davon auch noch den Lebensunterhalt bestreiten können. Wir spielten an die 60 Konzerte pro Saison in ganz Europa. Stationen waren in diesen sieben Jahren u.a. die Kölner Philharmonie, die Elbphilharmonie Hamburg, die Frauenkirche Dresden und die Carnegie Hall in New York. Vor fünf Jahren kreiste mein Taufspruch aus Röm 12,11 immer wieder in meinem Kopf: „Seid brennend im Geist, dient dem Herrn!“ Ich entschied mich, meine erfolgreiche Musikerkarriere an den Nagel zu hängen und mich noch einmal auf etwas völlig Neues einzulassen – das Wagnis der Theologie. Nach Studienetappen in Bonn und Heidelberg folgt nun der praktische Teil meiner Ausbildung hier in Luther. Seitdem ich mit meiner Frau und unserem Sohn in der Bonner Südstadt lebe, sind wir Teil der Gemeinde. Manche haben mich vielleicht auch schon im Gottesdienst oder bei Konzerten mit dem Saxophon erlebt. Ab April werde ich als Vikar nun ganz anders in die Gemeinde eingebunden sein. Ich freue mich riesig auf die neuen Aufgaben und natürlich auf die Begegnung und den Austausch mit Ihnen und Euch.
Herzlich,
Ihr Erik Nestler
(Foto: N. Targiel)