Unser ganzes Leben bewegt sich in Räumen.
Vom ersten Moment an sind wir umgeben von Raum, der uns schützt, der uns Leben und Wärme gibt. Dann im Augenblick der Geburt verlassen wir den ersten sicheren Raum und gehen durch einen schmalen Gang hinaus ins Leben, wie Martin Luther einmal sagte. Von da an ist das Erkunden, das Finden, das Gestalten der Räume, der Suche nach Lebensräumen, in denen wir sein können, dürfen und manchmal auch müssen, eine Lebensaufgabe. Mal gelingt sie, mal fällt sie schwer. In dieser Woche wollen wir den Räumen nachgehen, in die uns unser Leben stellt.
Im Psalm heißt es: „Du stellst meine Füße auf weiten Raum.“ Psalm 31.9
Spüren wir den Worten nach.
Eine Geschichte aus den Philippinen beschreibt einen besonderen Weg einen Raum sinnvoll mit Leben zu füllen. Sie heißt:
„Die Halle der Welt mit Licht erfüllen
Ein König hatte zwei Söhne. Als er alt wurde, da wollte er einen der beiden zu seinem Nachfolger bestellen. Er versammelte die Weisen seines Landes und rief seine beiden Söhne herbei. Er gab jedem der beiden fünf Silberstücke und sagte: „Ihr sollt für dieses Geld die Halle in unserem Schloss bis zum Abend füllen. Womit, das ist eure Sache.“ Die Weisen sagten: „Das ist eine gute Aufgabe.“ Der älteste Sohn ging davon und kam an einem Feld vorbei, wo die Arbeiter dabei waren, das Zuckerrohr zu ernten und in einer Mühle auszupressen. Das ausgepresste Zuckerrohr lag nutzlos umher. Er dachte sich: „Das ist eine gute Gelegenheit, mit diesem nutzlosen Zeug die Halle meines Vaters zu füllen.“ Mit dem Aufseher der Arbeiter wurde er einig und sie schafften bis zum späten Nachmittag das ausgedroschene Zuckerrohr in die Halle. Als sie gefüllt war, ging er zu seinem Vater und sagte: „Ich habe deine Aufgabe erfüllt. Auf meinen Bruder brauchst du nicht mehr zu warten. Mach’ mich zu deinem Nachfolger.“ Der Vater antwortete: „Es ist noch nicht Abend. Ich werde warten.“ Bald darauf kam auch der jüngere Sohn. Er bat darum, das ausgedroschene Zuckerrohr wieder aus der Halle zu entfernen. So geschah es. Dann stellte er mitten in die Halle eine Kerze und zündete sie an. Ihr Schein füllte die Halle bis in die letzte Ecke hinein. Der Vater sagte: „Du sollst mein Nachfolger sein. Dein Bruder hat fünf Silberstücke ausgegeben, um die Halle mit nutzlosem Zeug zu füllen. Du hast nicht einmal ein Silberstück gebraucht und hast sie mit Licht erfüllt. Du hast sie mit dem gefüllt, was die Menschen brauchen.“
Wie schreibt Jesaja?
„Mache dich auf und werde licht, denn dein Licht kommt.“ Jesaja 60.1
Machen wir uns auf und füllen unsere Lebensräume mit Licht.
Hören Sie „Petite Soeur“ von Gilles Martin, gespielt von Michael Neuhalfen an der Klarinette und Berthold Wicke am Flügel der Lutherkirche.
Ihre Pfarrerin Ulrike Veermann
Foto: Uwe Janser