Offenheit – Sonntag, 21.02.2021

Seit Aschermittwoch stand der Begriff der Offenheit über unserem Nachdenken in einer Passionszeit „MIT“.

Heute nun, am Sonntag, kann uns das Bild, das Reinhard Knur zum Thema eingefallen ist, noch einmal mit der Nase darauf stupsen, was Offenheit, Offensein bedeuten kann. Da steht ein Mann, öffnet einen Vorhang und sieht hinaus, sieht in ein strahlendes Licht. Was mag da sein? Woher kommt dieses Leuchten? Ist es ein Vorhang, der nach draußen schauen lässt, der in die warme Sonne dieses Wochenendes schaut, der Mut macht und hinauszieht, sich auf den Weg zu machen, neugierig zu bleiben, auf all das, was vor mir liegt? Ich möchte mir vorstellen, dass der Mann kurz blinzelt, sich die Augen reibt und losgeht, hinein in ein strahlendes Morgen.

Oder habe ich das Bild falsch verstanden? Ist vielleicht nicht das Draußen wichtig? Geht es um den, der drinnen ist? Der, der den Vorhang öffnet und nun im hellen Licht zu sehen ist? Wir sehen nur seinen Rücken, die auf der anderen Seite aber sehen den Menschen, der da steht, angestrahlt wie auf einer Bühne, mit einem gleißenden Scheinwerferlicht. Was mögen die auf der anderen Seite sehen, wahrnehmen, fantasieren… Erkennen sie den, der da vor ihnen steht, der sein Gesicht zeigt, sich zeigt, sich öffnet für all die, die sehen wollen? Mutig so hinauszutreten, sich sichtbar zu machen, erkennbar aber damit auch angreifbar… Wird es Applaus geben oder Pfiffe? Wie gehen wir Menschen mit jemandem um, der sich zeigt, der sich öffnet… Ich möchte mir wünschen, ich könnte sagen, achtsam, wertschätzend, mit liebevollen Augen, aber ich kenne mich und weiß, wie hart auch mein kritischer Blick sein kann. Würde ich dort stehen wollen? Würde ich das aushalten, ohne zu wissen, was das strahlende Licht von mir zeigt?

 

Oder ist es ganz einfach, und Reinhard Knur hat genau das eingefangen, was wir mit dem Passionskalender „7 Wochen MIT“ erreichen wollen? Dass wir auf das leuchtende, strahlende Licht des Ostermorgens zugehen und deshalb die Dunkelheit des Leidens immer im Licht der Auferstehung sehen dürfen. Gewiss, dass in diesem Licht alles eine andere Wirklichkeit bekommen kann, jeder Schmerz eine Hoffnung haben darf, und es die Glaubensgewissheit gibt, dass unser Gott weiß, was es heißt zu leben, zu leiden, zu hoffen und sich dabei letztlich in seine liebenden Hände zu geben.

Johannes lässt Jesus die schönen Worte sagen, die wir bei jeder Taufe sprechen: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Johannes 8.12

Und wenn wir dann mutig den Vorhang vor dem nächsten Tag öffnen, dann wird auf unserem Gesicht vielleicht ein Staunen sein über all das, was da sichtbar ist.

Hören Sie „Aria“ von Eugène Bozza mit Marc Jaquet am Flügel und Georg Brinkmann an der Klarinette aus der Lutherkirche.

Ihre Pfarrerin Ulrike Veermann

Zeichnungen: Reinhard Knur

1 Kommentar zu “Offenheit – Sonntag, 21.02.2021

  1. Ich bin begeistert von dem Bild, das auf den ersten Blick so eindeutig erscheint und durch die Überlegungen von Fr. Veermann eine Vielschichtigkeit in der Betrachtung eröffnet. Herzlichen Dank.

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